Die Diagnose Krebs kann uns mit voller Wucht treffen. Von vielen Patienten wird dieser Moment wie ein „den Boden unter den Füßen wegziehen“ beschrieben. Der bisherige Boden – oder das Fundament des bisherigen Lebens - das in die missliche Lage geführt hat, wird von einem zum anderen Moment in Frage gestellt und scheint nun nicht weiter fort führ bar. Eine große Herausforderung eröffnet sich damit. Denn die mit der Diagnose immer mitschwingende Möglichkeit des Todes fordert einen Neuanfang der ganzen Persönlichkeit.
Durch die Diagnose kann das vergangene Leben wie ein sich schließendes Tor empfunden werden. Die Frage nach dem „Warum“ und dem „Sinn“ der Erkrankung tauchen auf. Gelegentlich kann auch ein sehr verständliches wehmütiges Zurücksehnen nach dem „alten“ Leben vor der Erkrankung den Patienten ergreifen. Nach streng logischen Kriterien müssen wir aber an dieser Stelle festhalten, dass das „alte“ Leben – aus welchen Gründen auch immer – zu der aktuellen Lage geführt hat. Im „alten“ Leben liegen die Ursachen für die Entstehung der Krankheit. Deshalb kann in diesem „alten“ Leben auch kaum eine heilsame Zukunftsperspektive liegen. Ein Neuanfang auf möglichst vielen Ebenen kann nun vom Patienten mutig ins Auge gefasst werden.
Ein rein materialistischer Standpunkt wird die Frage nach dem Sinn wohl als höchst merkwürdig einstufen. Doch betrachten wir den Menschen nicht nur als Körper, sondern auch als seelisch & geistig begabtes Individuum, so können wir den Sinn der Erkrankung ganz allgemein darin sehen, dass wir auf schmerzliche Art zu einem Neuanfang gezwungen werden. Den das stetige Weiterentwickeln und ganzheitliche Entfalten unserer Persönlichkeit in Form von Fähigkeiten und Anlagen steht wie eine Welten-Gesetzmäßigkeit vor uns.
Der vom Patienten selbst gewählte möglichst bewusste Neuanfang kann nun mehrere Bereiche umfassen. Die Lebensbereiche Ernährung, Atmung, Rhythmus & Tagesstruktur, Bewegung & Sport, (spirituelle) Suche nach einem tieferen Lebenssinn oder Lebensinhalt können mit therapeutischer Hilfe neu geordnet und idealerweise in eine erneute Dynamik gelangen.
Doch in welche Richtung soll der Neuanfang nun gehen? Dabei kann die Betrachtung der Krebskrankheit weiter helfen. In den allermeisten Fällen lässt sich bei den Patienten ein verborgener innerer Lebensrückzug beobachten. Ein mehr oder weniger subtiles sich „aus dem Leben herausnehmen“, ein Rückzug aus sozialen Beziehungen etc. kann evtl. beobachtet werden. Interessanter weise lässt sich diese Tendenz auch in der Pathologie des Tumor Gewebes beobachten. Denn der Tumor löst sich ebenfalls aus der Gesamtharmonie des Körper heraus und beginnt sein zerstörerisches Eigenleben. Ausgehend von dieser Betrachtung können wir als ein erstes Ziel versuchen, eine neue Verbindung zum Leben auf zu bauen. Ziel wäre die Entfaltung einer wirklichen Empfindung einer Lebensbejahung, sich „wie ein Teil des Lebens zu fühlen“. Das Gebiet der Ernährung bietet sich dazu hervorragend an. Denn die Ernährung fordert – je nach Krebsart unterschiedlich – nicht selten ohnehin eine Veränderung in den Verzehrs Gewohnheiten. Wir können diesen Neuanfang innerhalb der Ernährung mit den Schlagworten belegen: Vom eher materiell orientierten Konsum zur mehr seelisch-geistig gestalteten Beziehung. Meine Vorschläge dazu, können wir uns in "Krebs & Ernährung" ansehen.
Zusammenfassend könne wir sagen, dass wir einen Sinn in der Erkrankung in einem Lebenssinn erneuernden Neuanfang (sieh auch Artikel „Haben Erkrankungen einen Sinn?“) finden können. Fachkundige Anleitung in den jeweiligen Lebensbereichen kann dabei gute Unterstützung leisten. Welche neuen Lebenskräfte ein solcher persönlicher Neuanfang entfachen kann, zeigen Beispiele aus der Praxis:
Eine Frau Ende Vierzig erhält die Diagnose Krebs. Sie fühlt sich, als ob ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Ein Jahr lang durchläuft sie eine Lebenskrise und erhält Unterstützung von verschiedenen Angeboten und Therapeuten. Sie kündigt ihr Angestellten Verhältnis und macht sich mit einer mittelständischen Firma selbstständig: „Angesichts des möglichen Todes waren die Risiken der Selbstständigkeit nicht mehr relevant“. Mit Eintritt in das Rentenalter ist sie gesund und frei von Rezidiven.
Der mutige Neuanfang mit einer neuen Lebensperspektive hat eine solche Dynamik in ihre gesamte Persönlichkeitsentwicklung gebracht, dass im Angesicht der neuen Aufgaben und Herausforderungen völlig neue Lebenskräfte frei gesetzt werden konnten, die ihre Gesundheit und ihr Immunsystem eine neue Spannkraft verliehen.
Abschließend möchte ich zur weiteren Vertiefung gerne noch eine Kontemplationsübung anbieten.
Nehmen wir dazu folgendes Bild, dass in eurer Fantasie gerne durch ein lebendigeres ersetzt werden kann:
Die Sonne setzten wir gleich mit der Vorstellung des Neuanfanges. Der Neuanfang stellt das noch Ungeborene, das Neue und das Unbekannte dar. Ein Neuanfang ist an jedem Tag, in jeder Stunde, Minute, Sekunde möglich. Er scheint wie die immer existente Sonne über den sorgenverhangenen Wolken. Die graue Wolkendecke repräsentiert unser schwanken zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Darunter befindet sich unser Körper - das Alte, bisher Gewordene - der sich mehr gesund oder mehr krank zeigen kann.
Nun setzt euch aufrecht auf einen Stuhl, Knie möglichst rechtwinklig und Fußsohlen auf dem Boden, der Rücken natürlich aufgerichtet und die Schultern entspannt. Schließ die Augen oder haltet sie leicht geöffnete - wie es euch lieber ist.
Nun stellt das Bild des Neuanfangs in euerer Vorstellung vor euch hin und betrachtet es wie ein Gemälde. Haltet diese Vorstellung für 2-5 Minuten.
Wie wirkt Sie auf euer Empfindungsleben? Lichten sich die Wolken und lassen die Sonne auf den Körper scheinen?...
Mit dieser Übung kann die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Neuanfang einen zusätzlichen Raum erhalten und sehr intensiv unterstützt werden.
Viel Erfolg beim Üben!
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